Eine
neue Stimme aus Afrika
STEWART SUKUMA
Selbstbewußtes, modernes und panfrikanisches Musikverständnis
Afrolusamerica ist der Bereich portugiesisch beeinflußter afrikanischer
und afroamerikanischer Kulturen, die wir mit unserer gleichnamigen CD Edition
vorstellten und mit Künstlerinnen und Künstlern aus Cabo Verde, Angola
und Brasilien vertiefen. Mit Stewart Sukuma stellen wir nun erstmals in Europa
einen Singer/Songwriter aus Mozambique vor.
Origens
Stewart
Sukuma wurde am 25. März 1963 in Cuamba, Niassa, einer Stadt in der moçambikanischen
Provinz Zambeze geboren. Als Luís Pereira, und seine erste Gitarre bekam
er auf einem Wohltätigkeitsfest für Kinder aus sozial schwachen Familien
geschenkt. Als Moçambique ende 1975 von Portugal unabhängig wird,
ist er 12 Jahre alt. "Erst ein halbes Jahr vor der Unabhängigkeit begriff
ich, was da vor sich ging und wollte daran teilhaben." sagt Sukuma heute.
Es war die Zeit nach dem 25. April 1974, der portugiesischen Nelkenrevolution,
die eine ganze Generation in den Taumel der Erneuerung riß - in Portugal,
in Europa und eben auch in den afrikanischen Kolonien, die Jahrzehntelang für
ihre nationale und kulturellen Unabhängigkeit von der portugiesischen Kolonialmacht
gekämpft hatten: "Nach der Unabhängigkeit gab es eine kulturelle
Revolution in Moçambique und ich tanzte zunächst für verschiedene Bands, die
sich gegründet hatten, doch ich wollte eigentlich kein Tänzer sein..."
Musico.......
Als
der Tod seiner Schwester, die zwei Kinder und ein Haus in Maputo hinterließ,
ihn in die moçambikanische Hauptstadt spült, beginnt unter dem Namen
Stewart seine Karriere als Sänger und Musiker. Er lernt Perkussion, Gitarre
und Keyboard spielen und nimmt 1983 sein erstes Stück für Radio Moçambique
auf. Auf Anhieb gewinnt er den "Ngoma"-Preis als bester Nachwuchsmusiker
und wird in kurzer Zeit zu Moçambiques beliebtestem Musiker. Seine Stücke
werden im Radio gespielt und auf Cassetten kopiert, die der Sender vertreibt -
An die Produktion von Langspielplatten oder CDs ist in dem vom Bürgerkrieg
gebeutelten und ausgebluteten Land noch lange nicht zu denken. Auch der Versuch,
in Lissabon, wo nach wie vor die meisten Musiker aus den ehemaligen Kolonien produzieren,
einen Vertrag zu bekommen, scheitert. 1995 geht Stewart, inzwischen meistprämierter
Musiker seines Landes und als "Star des Volkes" gefeiert, mit einer
Demo-Cassette ins benachbarte Südafrika. Ein ungewöhnlicher und wenige
Jahre zuvor noch undenkbarer Weg, denn das Apartheidregime stand unter Embargo
und schürte noch nach dem Ende des Ost- West Konflikts fleißig den
moçambikanischen Bürgerkrieg. Lediglich für Scharen von hoffnungslosen
Wanderarbeitern, die illegal dort ihr Dasein fristeten, war der Gang ins "Land
des Rand" Demütigung und letzte Überlebenschance zugleich.
Die neue Situation nach dem Friedensschluß in Moçambique und der
Machtübernahme der schwarzen Bevölkerungsmehrheit Südafrika eröffnete
nun auch kulturell neue Perspektiven.
Die erste LP / AFRIKITI
Mit
internationaler Besetzung und in einem Johannesburger Tonstudio entsteht 1997
Afrikiti - nach über 15 Jahren Musikkarriere Stuarts erstes Album. Stuart
Sukuma (Ein Wort das in Zulu soviel heißt wie "Aufstehen" und
in Swahili "anschieben" bedeutet) wird enthusiastisch als neuer Star
der afrikanischen Musik gefeiert und gewinnt in Moçambique ein weiteres
mal den Ngoma-Preis. Dort, wo sich immer noch die allerwenigsten die CD kaufen
könnten, wird die Veröffentlichung wie ein Staatsakt begangen: Staatspräsident
Joaquim Chiziano ist ebenso anwesend wie die gesamte Prominenz des Landes und
die internationale Fachpresse. Der "Star des Volkes" wird zum kulturellen
Hoffnungsträger des Landes und zum Symbol des Wiederaufbaus, der sich auch
als Person engagiert: Ein Teil des Erlöses seiner CD fließt an
eine Umweltstiftung, er selbst ist aktiv in der AIDS-Hilfe. Als Produzent und
Förderer unterstützt Sukuma junge Musiker seines Landes und steht so
auch für einen Generationswechsel in der moçambikanischen Popmusik.
Ghorwane oder Eyuphuro, die wenigen international bekannten Gruppen seines Landes,
oder die Marrabenta Stars, mit denen Sukuma selbst durch die Welt tourte - unter
anderem auf dem "Beat Apartheid!" Festival in Berlin -,kultivieren regionale,
genuin moçambikanische Musik. Doch auch mit Mark Knopfler, Youssou N'dour,
Miriam Makeba oder Harry Belafonte stand Sukuma schon auf der Bühne. Und
auch wenn dies einigen puristischen Kritikern in Moçambique nun doch zu
weit ging, verabschiedet sich Afrikiti demonstrativ von der leichten Muse des
Marrabenta oder dem im ganzen südlichen Afrika dominierenden Soukous und
geht neue, subtilere Wege: "Unmißverständlich moçambikanisch
und doch offen für die Welt". "Unsere Musik ist tief verwurzelt
in den Rhythmen des Volkes, denn wir waren lange, aus verschiedenen Gründen
und nicht zuletzt durch den Bürgerkrieg, so gut wie abgeschnitten von dem
Rest der Welt", doch heute sind auch andere Klänge in Moçambique
selbstverständlich geworden: Reggae, Rock, brasilianische Musik, Jazz und
alle Spielarten der weltweiten Popmusik..., die wiederum für Sukuma eine
gemeinsame Wurzel haben: "Die Brasilianer haben ihre Musik aus Afrika, die
USA und alle europäischen Länder kopieren unsere Musik."
Afrikiti steht für ein selbstbewußtes, modernes, panafrikanisches Musikverständnis.
Allein sieben Sprachen sind auf der CD zu hören: neben den Idiomen der Kolonisatoren,
Englisch und Portugiesisch auch Koti, Chuabo, Swahili, Zulu und Tsonga. Und jedes
Stück vermittelt eine unmißverständlich vorwärtsgerichtete
Botschaft. Sei es wie in "Muliba", wo auf Chuabo, Zulu und Englisch
die Solidarität und der Kampf für ein friedliches Zusammenleben der
Menschen besungen wird (übrigens mit Hugh Masakela am Flügelhorn), in
"Afrikiti", das für ein neues Afrika wirbt, oder in "Moçambique",
das der Hoffnung auf den Beginn eines besseren Lebens nach schwieriger Zeit Ausdruck
gibt, wie auch in "Katamaga", das die Hoffnung auf ein Afrika besingt,
das aufhört, Almosenempfänger zu sein und seine eigene Kraft und Selbstbestimmung
entdeckt. "Watcha" verdeutlicht dies märchenhaft an der Geschichte
eines Sklaven, der eines Tages aufsteht und die Fesseln abwirft, auch wenn ihn
alle für einen Träumer halten und schließlich gar stärker
wird als der König. Andere Lieder erzählen vom "realen" Leben,
wie "Workers", das inspiriert ist am Schicksal einer Nachbarin, die
aus Not zur Prostituierten wurde, oder "Cerâmica Negra", über
die Keramikkünstlerin Reinata Sadimba und "Life goes on", das einem
Freund gewidmet ist: "Um aus der Welt einen besseren Ort zu machen / Gib
aus dem Herzen das Beste Deiner Liebe / Die Kraft des Lebens ist stärker,
was immer es auch sei / Macht aus der Welt einen besseren Ort". "Nakupenda
Sana" schließlich ist Sukumas musikalisches Bekenntnis in Form einer
posthumen Hymne an Stars der afrikanischen Musikszene: "Everyday we remember
/ your dedication / for the music of the world / You will be with us forever",
und im portugiesischen Text: "Eines Tages wird in unserer Musik / eine Botschaft
der Liebe / laut klingen / die für für immer bestehen wird."
Michael Kegler (c) 1998 TROPICAL MUSIC Copyright beachten.
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